Mama, warum können Spinnen stricken?

Als ich auf die Terrasse kam, saß meine Tochter vor dem Blumenkasten mit der roten Clematis und starrte mit offenem Mund
nach oben. Als ich rief, reagierte sie nicht, deshalb strich ich ihr über das Haar und holte sie aus ihrem Traum. Komm mit rein
Häschen, das Essen ist fertig, sagte ich.

Sie bewegte sich nicht, sondern starrte weiter nach oben und fragte: „Mama, warum können Spinnen stricken, wie machen die
das? Da sah ich es erst. In der oberen Ecke der Clematis war ein großes Spinnen-Netz. Weil es geregnet hatte, befanden sich auf
den Fäden kleine glitzernde Tropfen und das sah wunderschön aus. Ich musste lächeln, weil sie so fasziniert aussah und ich sah,
wie sehr ihr Köpfchen arbeitete, weil sie das nicht verstand.

Nun mein Häschen sagte ich, die Spinnen haben in ihrem kleinen Bauch eine Art Garnrolle, wie ich sie habe, wenn ich Dir
etwas nähe, oder wenn ich Dir einen Knopf wieder fest mache. Alles was sie essen, wickelt sich als ein langer Faden
auf diese Rolle. Das geht so lange, bis die Spinne groß und erwachsen ist. Wenn sie dann einen Spinnen-Mann kennenlernt, die
beiden heiraten und Kinder haben wollen, hat sie so viel Garn in sich gesammelt, dass sie ihr eigenes Spinnen-Netz spinnen kann.
Die beiden – Spinnen-Frau und Spinnen-Mann – suchen sich ein schönes Plätzchen, wo es warm und gemütlich ist, und dann
öffnet die Spinnenfrau ihren kleinen Spinnen-Mund und bläst das Garn, das auf ihrer Rolle ist heraus. Der Spinnen-Mann fasst
das Garn mit zwei seiner acht Beinchen und beide zusammen bauen sich dann ein Netz so, wie es ihnen am besten gefällt. Weil
der Faden ein bisschen klebrig ist, hält es in jedem Baum, an jedem Strauch, in jeder Blume. Und … weil jede Spinne nur ein Netz
spinnen kann, und weil sie dann in die Mitte des Netzes ihre Eier legt, aus denen dann die kleinen Spinnen schlüpfen, darf man
nie ein Spinnen-Netz zerstören, weil sonst die kleinen Spinnen kein Zuhause mehr haben, wo Mama-Spinne und Papa-Spinne
auf sie aufpassen können.
Ein Lächeln flog über das Gesicht meiner Tochter und sie sagte: „Das würde ich nie tun, es wäre doch auch nicht schön, wenn
jemand unser Haus kaputt machen würde. Das verspreche ich Dir ganz doll“.

Doris Ackermann, geb.: 1953, freiberuflich Design, Bochum, eine erwachsene Tochter

Die Autorin/Der Autor empfiehlt ihre/seine Geschichte für Kinder bis 6.

Erstellt am Freitag, 24.02.2012

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