Eines Tages, ich wollte Dünger kaufen, stellte sie mir eine Frage. Fast scheu formulierte sie, leicht lispelnd: „findest du mich zu gelb?“. Ich war wie vom Donner gerührt. Zu gelb? Nein! „Nein“, antwortete ich. „Niemals! Zu gelb sind höchstens Sonnenblumen oder die Mitte von Spiegeleiern manchmal oder Gelbmaisen oder überhaupt Mais oder auch Gelbnasentiger. Natürlich würde ich auch nie einem Hund über den Weg trauen, der gelbe Hosen – solche mit einem Reißverschluss! – trägt. Nie, nie, niemals! Aber du zu gelb? Nein, niemals.“ Sie lächelte mich glücklich an, ich stellte sie zurück und bedankte mich für das Gespräch. Sie sprach nur alle 1002304 Jahre mit einem Menschen (so stand es auf dem Schild vor ihr) und ich konnte ihr doch schlecht kein Kompliment machen. Man muss die Gelegenheiten schon auch zu nutzen wissen. Wär‘ ich ehrlich gewesen, hätt‘ ich ihr gesagt, dass sie längst nicht mehr ganz gelb war, sondern eigentlich schon ziemlich orange, aber hey, dann hätte sie mir vielleicht auch nicht mit einer kecken Bewegung ihres Kopfes gezeigt, wo der Dünger steht.
Nora Gomringer, geb. 1980, lebt in Bamberg und ist aus aller Welt, manchmal auch zu Hause. Da schreibt sie Gedichte, die man lesen, hören und sehen kann. Lesen, sehen und hören kann man sie auch hier: www.nora-gomringer.de
Die Autorin/Der Autor empfiehlt ihre/seine Geschichte für Kinder von 7-10.
Erstellt am Dienstag, 10.07.2012