Ein Eisbär in der Stadt

Der kleine Eisbär war schon lange durch die Straßen gezogen. Einst hatte er gespielt, war mit seinen Geschwistern über vereiste Landschaften gelaufen, hatte seine Mutter beim Jagen beobachtet und sich von den Strahlen der Wintersonne wärmen lassen. Doch dann waren die Eisschollen immer weniger geworden. Seine Mutter fand keine Nahrung mehr und so hatte sie ihm eines schönen Tages aufgetragen, sich auf den Weg in die Stadt zu machen. Bei den Menschen gäbe es immer etwas zu essen. So kam es, dass der kleine Eisbär in der Stadt gelandet war und durch die Straßen trottete. Nahrung fand er genug in den Abfalltonnen, aber es war sooo langweilig ohne seine Spielkameraden, ohne seine Geschwister. Der kleine Eisbär fühlte sich sehr, sehr einsam.
Eines Nachts weinte er sehr bitterlich. Da erschien ihm eine gute Fee und fragte ihn, warum er denn so traurig wäre. Schniefend erzählte der kleine Eisbär ihr, dass er ganz alleine auf der Welt wäre. Dass er so schrecklich einsam wäre und seine Familie so sehr vermissen würde. Er hätte versucht, Freunde unter den Menschen zu finden, aber die hätten alle Angst vor ihm und würden bei seinem Anblick immer schreiend weglaufen. Die gute Fee überlegte eine Weile, dann sagte sie: „Weine nicht mehr, kleiner Eisbär. Mache es Dir bequem und wenn Du morgen früh aufwachst, dann ist alles gut.“ So lehnte sich der kleine Eisbär an eine Hauswand und bald darauf schlief er ein. Als er am nächsten Morgen erwachte, war er geschrumpft. Sein dicker Pelz hatte sich in weiches Plüsch verwandelt und seine kleinen, braunen Knopfaugen blickten freundlich in die Welt.
Als die Kinder in die Schule gingen, kamen sie an dem kleinen Eisbären vorbei. „Ohh, sieh mal, ist der süß!“ riefen sie. Dann wurde er aufgehoben und von den Kindern geherzt und geküsst und ganz leise fing er zufrieden an zu brummen.

Rike Capito, geb. 1968, Köln

Die Autorin/Der Autor empfiehlt ihre/seine Geschichte für Kinder bis 6.

Erstellt am Donnerstag, 29.08.2013