In Indien werden Schweine wie Heilige verehrt. In Indien heißen die Heiligen Gurus und sitzen meist im Lotossitz auf dem Boden und meditieren oder beten. Der Lotossitz ist eine Art Schneidersitz mit fest verknoteten Beinen. Er heißt so, weil heilige Schweine oft auf Tempelbildern zu sehen sind, wo sie im Lotossitz auf einem Lotosblatt, einer Art Seerose, sitzen. Indische Schweine können natürlich gar nicht auf einem Lotosblatt auf dem Wasser sitzen. Aber sie können Wunder vollbringen.
Die heiligen Schweine tragen selbst einen bunten Punkt auf der Stirn – ihr Stigma, ein internationales Erkennungszeichen für Heilige. Nur 52 Schweine tragen dieses Zeichen. Schätzungsweise 365 heilige Schweine leben in dem riesigen Land noch unentdeckt, weil sie kein Stigma tragen. Sie laufen deshalb Gefahr, zu Unrecht geschlachtet zu werden und zu einer besonders scharfen indischen Currywurst verarbeitet zu werden. Denn Schweinefleisch ist die Delikatesse Numero Eins in dem einzigen Land auf der ganzen Welt, in dem Schweine wie Heilige leben.
Aber es gibt etwas, was noch viel merkwürdiger ist: Es gibt ein einziges Schwein, das ein rotes Stigma trägt, obwohl es gar nicht heilig ist. Dieses Schwein wird aber ganz besonders verehrt, weil es das Kind des einzigen Schweinepaars ist, wo beide heilig waren und dazu noch beide weibliche Schweine, also Säue. Da nur zwei heilige Säue ein solches Wunder vollbringen können, ein Schweinebaby zu bekommen, wurde das Baby deshalb auch gleich nach der Geburt heiliggesprochen und wird fortan als Guru verehrt. Das Schwein, das man auf dem Bild sehen kann, hat selbst noch nie ein Wunder vollbracht. Es hat einfach Schwein gehabt.
Nina Heimbach, am Niederrhein geboren und heute als Texterin und Pianistin in Nürnberg lebend, hat schon vor Google gewußt, dass man den Tatsachen zwar ins Auge schauen kann, aber davon nicht immer klüger wird. Bild: Kate Filler, Bildredakteurin für die „WAS IST WAS“ Kindersachbücher.
Die Autorin/Der Autor empfiehlt ihre/seine Geschichte für Kinder von 11-14.
Erstellt am Freitag, 23.09.2011